Mittwoch, Oktober 18, 2006

taz: Armut in Deutschland tabu? (Axel Troost (MdB), Linksfraktion im Bundestag: Die Linke und WASG)

Ja, ich gehöre auch zu denen, die sich fragen: Was ist los in diesem Land.

Die aktuelle Diskussion über Armut oder Unterschicht spaltet mal wieder, holt verstaubte Argumente aus der hintersten Ecke, polemisiert, pauschalisiert und so vieles mehr.

Haben wir wirklich keine Armut hier, weil Deutschland doch theoretisch eines der reichsten Länder der Erde ist. Darf ich erst, wie mir kürzlich ein Langhaariger (ja, auch ich denke mitunter in Klischees und knüpfe Erwartungen daran) versicherte, von Armut sprechen, wenn Menschen in schimmeligen Baracken hausen - eigentlich hatten wir ja Glück mit dem Krieg in Deutschland, so seine Argumentation, denn deshalb gibt es bei uns solche Baracken nicht mehr - sie wurden zerstört und neu aufgabaut, und deshalb haben wir Wohlstand.

Wie kommt er darauf, dass in Deutschland keine Menschen in schimmeligen Wohnungen wohnen, und - im Gegensatz zu England - sogar noch horrende Summen an Miete dafür zahlen?

Der Sauerländer und Vizekanzler Franz Müntefering scheint daran nicht zu glauben: "Es gibt keine Schichten in Deutschland." Ja klar, es gibt ja auch nur "Menschen in prekären Situationen." Klasse!

Diese Variante ist mir lieber:
"Wir sind arm an Wissen über Armut", sagt Heiner Geißler. Diesen Befund erstellte der CDU-Politiker bereits 1976; damals war er Sozialminister in Rheinland-Pfalz."

siehe auch: Geißler zum Thema Unterschichten: "Es droht der schleichende Verfall der Gesellschaft

Vor 30 Jahren .....

Kann ich wirklich auf eine Armut in Deutschland die gleiche Definition wie in Afrika anwenden, die dort unterhalb der 1 US-Dollar Grenze beginnt.

Ich zitiere einfach weiter die Seite der WASG - Die Linke im Bundestag, da sie in meinen Augen verdammt recht haben.

"Das liegt auch daran, dass die Debatten über die Unterschicht von denen geführt werden, die noch nie in ihrem Leben unten waren. Journalisten, die in Talkshows behaupten, das wahre Elend am Rande unserer Gesellschaft sei gar keine Armut im Portemonnaie, sondern eine Armut im Geiste, erhalten allein als Honorar für 45 Minuten im ARD-Presseclub 600 Euro - mehr Geld, als die Menschen, über die sie reden, für den ganzen Monat zur Verfügung haben.

Aus der Perspektive von oben verschwimmen ganz schnell die feinen Unterschiede, die für viele Menschen im Alltag existenziell sind. In dieser Journalistenwelt sind 10 Euro Praxisgebühr im Quartal kein Problem, mit Verschärfung von Armut haben sie schon gar nichts zu tun. Dahinter verbirgt sich nicht nur eine Wahrnehmungsschwäche, sondern ein Grundproblem.

Die meisten Journalisten in Deutschland reflektieren oft nur noch ihr eigenes Herkunftsmilieu. Mehr als zwei Drittel von ihnen stammen aus der Mittelschicht, stellte der Hamburger Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg 2005 in einer repräsentativen Studie über deutsche Journalisten fest.

Andere Lebenswelten als die eigenen werden nicht mehr richtig wahrgenommen. "Die große Mehrheit der Journalisten hat ausschließlich Freunde, die auch Journalisten sind", sagt Weischenberg."

Sind wir nicht alle ein bisschen Jounalisten ???

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